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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 13.07.2005
Aktenzeichen: 4 U 149/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB
Vorschriften:
ZPO § 296 a | |
ZPO § 531 Abs. 2 | |
BGB § 133 | |
BGB § 157 | |
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 | |
BGB § 812 Abs. 1 Satz 2 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil
4 U 149/04 Brandenburgisches Oberlandesgericht
Anlage zum Protokoll vom 13.07.2005
Verkündet am 13.07.2005
In dem Rechtsstreit
hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22.06.2005 durch
die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ... die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Amtsgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 29.07.2004 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Potsdam wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückgabe einer Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft der ...Bank Privat- und Geschäftskunden AG vom 14.01.2004 über 14.000,00 € für die klägerische Einzelfirma. Diese Bürgschaft dient der Besicherung von Ansprüchen aus einem VOB-Bauvertrag vom 18.12.2003 betreffend Erdarbeiten für das Bauvorhaben Sporthalle und Schule am ... in .... Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger unter seiner Einzelfirma oder ob die Firma M...Erdbau GmbH, deren geschäftsführender Gesellschafter der Kläger ist, Vertragspartner der Beklagten geworden ist.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem am 29.07.2004 verkündeten Urteil des Landgerichts verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Darin hat das Landgericht Potsdam die Klage mit der Begründung abgewiesen, nach dem Willen der Vertragsparteien solle die klägerische Einzelfirma Auftragnehmerin sein. Diesen Willen hat die Kammer aus verschiedenen, von der Einzelfirma herrührenden Schreiben im Zuge der Vertragsanbahnung und -abwicklung hergeleitet. Weitere von dem Kläger mit Schriftsatz vom 08.06.2004 - nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung - vorgelegte Korrespondenz betreffend das Bauvorhaben Sporthalle und Schule am ... in ... zwischen der M... Erdbau GmbH und der Beklagten hat das Landgericht gemäß § 296 a ZPO nicht berücksichtigt.
Mit der Berufung rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Landgericht habe die mit dem Schriftsatz vom 08.06.2004 vorgelegten Unterlagen bei der Entscheidungsfindung nicht unberücksichtigt lassen dürfen. Es hätte eines vorangegangenen Hinweises auf die Auftragnehmereigenschaft der klägerischen Einzelfirma bedurft. Jedenfalls unter Berücksichtigung der mit dem Schriftsatz vom 08.06.2004 vorgelegten Schreiben könne es keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, dass die M...Erdbau GmbH, wie in dem durch die Beklagte übersandten Vertragsexemplar auch ausgewiesen, Auftragnehmerin des Bauvertrages sein sollte.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte kostenpflichtig zu verurteilen, an die Klägerin die Originalurkunde über die Vertragserfüllungsbürgschaft der ...Bank Privat- und Geschäftskunden AG, ... BGP ... herauszugeben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil, hält das Verfahren des Landgerichts und seine Anwendung des materiellen Rechts für fehlerfrei und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.
II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch aus Herausgabe der Bürgschaftsurkunde vom 14.01.2004 aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu.
1.
Die zwischen den Parteien im Januar 2004 durch die Übergabe der Bürgschaftsurkunde erfolgte Vermögensverschiebung hat ihren rechtfertigenden Grund in dem von den Parteien abgeschlossenen VOB-Bauvertrag betreffend Erdarbeiten für das Bauvorhaben Sporthalle und Schule am ... in .... Der Kläger ist im Dezember 2003 mit seiner kaufmännischen Einzelfirma "M... Erdbau & Abbruch" - und nicht die Firma M... Erdbau GmbH - Auftragnehmer der Beklagten für das Bauvorhaben ... geworden.
a) Die beiden vertragsbegründenden Erklärungen für den VOB-Bauvertrag sind aus der bei der Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen nach §§ 133, 157 BGB maßgeblichen Sicht des Erklärungsempfängers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und der Verkehrssitte von der kaufmännischen Einzelfirma des Klägers abgegeben und auch an diese gerichtet worden.
aa) Nach der grundsätzlichen Einigung der Parteien im Zuge der Auftragsverhandlung vom 25.11.2003 hat der Kläger am 18.12.2003 durch die Unterzeichnung und Rücksendung eines von ihm unterschriebenen Vertragsformulars für die kaufmännische Einzelfirma ein Angebot auf den Abschluss eines Bauvertrages zu den hierin vorgesehenen Konditionen abgegeben.
Wenn sich auch aus den zwei hinsichtlich der Bezeichnung des Auftragnehmers von einander abweichenden Fassungen der Vertragsurkunde selbst kein eindeutiges Bild über die rechtliche Identität des Auftragnehmers ergibt, da in dem Rubrum des Exemplars des Klägers - anders als in dem der Beklagten - als Auftragnehmerin die M... Erdbau GmbH genannt wird und die Vertragsunterzeichnung durch Herrn H... M... am 18.12.2003 unter Hinzufügung des Firmenstempels seines einzelkaufmännischen Unternehmens "M... Erdbau und Abbruch" erfolgte, spricht das den Vertragsexemplaren vorgeheftete Übersendungsschreiben vom 19.12.2003 für eine Erklärung der Einzelfirma, da für dieses Schreiben der Briefkopf der Firma M... Erdbau & Abbruch verwendet wurde. Zudem hat der Kläger mit einem weiteren Schreiben an die Beklagte vom 19.12.2003 - unter erneuter Verwendung des Briefkopfes der Firma M...Erdbau & Abbruch - im Nachgang zu dem Angebot auf Abschluss des Bauvertrages die erforderlichen Unternehmerbescheinigungen übersandt. Die acht diesem Schreiben beigefügten Dokumente - ausgestellt zwischen dem 13.11.2001 und dem 19.11.2003 - lauten sämtlich auf die Firma M... Erdbau & Abbruch.
Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, die von der Beklagten vorgelegten Anlagen zu dem Schreiben vom 19.12.2003 seien nicht die Originalanlagen, sondern Bestandteile anderer - nicht näher bezeichneter - Vertragsbeziehungen, ist der hierin enthaltene Manipulationsvorwurf gegen die Beklagte in dieser Allgemeinheit nicht nachvollziehbar. Der Kläger hat es unterlassen, dieses Vorbringen durch die Benennung des Bauvorhabens, für das die von der Beklagten vorgelegten Unterlagen übersandt worden sein sollen, in einer einlassungsfähigen Weise zu konkretisieren. Ausweislich der vorgelegten Abschlagsrechnung vom 30.11.2003 für das Bauvorhaben Dreifeldsporthalle in ... war dieses Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und der Firma M... Erdbau GmbH abgeschlossen worden, so dass sich die Unterlagen hierauf nicht beziehen können. Angesichts der Datierung der als Anlage vorgelegten Dokumente spricht auch nichts dafür, dass sie zu dem weiteren VOB-Bauvertrag zwischen den Parteien über das Bauvorhaben Psychiatrie ... gehören könnten, da dieser bereits am 16.05.2003 abgeschlossen worden ist. Der Senat geht daher - mangels Darlegung anderer in Betracht kommender Vertragsverhältnisse zwischen den Parteien - davon aus, dass die von der Beklagten in Kopie vorgelegten Anlagen den tatsächlichen Anlagen des Schreibens vom 19.12.2003 entsprechen.
bb) Auch die Annahmeerklärung der Beklagten vom 22.12.2003 war an den Kläger als kaufmännische Einzelfirma gerichtet.
Zwischen den Parteien ist hierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig geworden, dass die Rücksendung des von dem Geschäftsführer der Beklagten am 22.12.2003 unterzeichneten Vertragsexemplars ohne ein gesondertes Anschreiben an die Geschäftsadresse des Klägers erfolgt ist. Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung noch vorgetragen hat, die Rücksendung sei an die Firma M...Erdbau GmbH erfolgt, habe er dieses - von der Beklagten bestrittene - Vorbringen aus dem Rubrum des Vertrages gefolgert. Ungeachtet des Umstandes, dass diese Schlussfolgerung des Klägers eher eine rechtliche Wertung als tatsächliches Vorbringen enthält, bietet der Kläger für dieses neue Vorbringen im Berufungsverfahren kein Beweismittel an, so dass die Frage der Zulassungsfähigkeit im Rahmen des § 531 Abs. 2 ZPO keiner weiteren Klärung bedarf.
Hinsichtlich der Rücksendung des Vertragsexemplars durch die Beklagte - hierin liegt die Erklärung ihrer Annahme des Angebots vom 18.12.2003 - ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon auszugehen, dass diese an den Anbietenden selbst - mithin an den Kläger als kaufmännische Einzelfirma - erfolgt ist und der Empfang des gegengezeichneten Vertragsexemplars von dem Kläger auch so verstanden wurde.
b) Die dargestellte Sichtweise zu dem Abschluss des VOB-Bauvertrages wird durch den Schriftverkehr der Parteien im laufenden Vertragsverhältnis - vor der erstmals mit Schreiben der Firma M... Erdbau GmbH vom 28.01.2004 geforderten Rückgabe der Bürgschaftsurkunde - bestätigt.
So ist das Schreiben über Zusatzarbeiten im Wert von 350,00 € netto vom 05.01.2004 unter dem Briefkopf der Firma M... Erdbau & Abbruch gefertigt worden. Gleiches gilt für die Nachtragsangebote Nr. 1 vom 06.01.2004 über 2.720,00 € netto und Nr. 3 vom 14.01.2004 über 30.250,00 € netto sowie die Baubehinderungsanzeige vom 06.01.2004. Auch das Schreiben der Beklagten vom 23.01.2004, in dem der Kläger zur Wiederaufnahme der Arbeiten an dem Bauvorhaben ... aufgefordert wird, richtet sich an die Firma M... Erdbau & Abbruch. Gleiches gilt für das folgende Schreiben der Beklagten vom 28.01.2004. Hingegen enthält lediglich ein für die vertraglichen Beziehungen der Parteien unbedeutendes handschriftliches Schreiben der Beklagten vom 12.01.2004, in dem die Adresse des Bauherrn des Bauvorhabens ...mitgeteilt wird, eine Adressierung an die "M... Erdbau GmbH Erdbau und Abbruch". Angesichts des zeitgleich von der Beklagten mit der Firma M...Erdbau GmbH durchgeführten Bauvorhabens einer Dreifeldsporthalle in ... liegt ein Büroversehen bei der Adressierung dieses Schreibens nahe.
c) Auch die Vorkorrespondenz der Parteien spricht eher dafür, dass der Kläger mit seiner kaufmännischen Einzelfirma - nicht dagegen seine unter der gleichen Anschrift geführte, im Jahr 2003 gegründete GmbH - Vertragspartner der Beklagten werden sollte.
Mit dem Schreiben vom 30.07.2003 hat die Beklagte die Firma M... Erdbau & Abbruch an der Ausschreibung für das Bauvorhaben ... beteiligt und zu der Abgabe eines Angebots aufgefordert. Daraufhin hat die Firma M... Erdbau & Abbruch mit Schreiben vom 05.08.2003 ein Angebot abgegeben. Lediglich das Übersendungsschreiben der Beklagten vom 12.12.2003, mit dem nach der Erteilung des Zuschlags die vorbereiteten Vertragsunterlagen übersandt worden sind, ist an die Firma M...Erdbau GmbH gerichtet und entspricht insoweit dem vorgefertigten Rubrum des VOB-Bauvertrages.
d) Ein weiteres deutliches Indiz dafür, dass der Kläger mit seiner kaufmännischen Einzelfirma M... Erdbau & Abbruch Vertragspartner der Beklagten bei dem Bauvorhaben ... geworden ist, stellt sein Vorgehen in einem Rechtsstreit über einen Restwerklohnanspruch aus diesem Bauvorhaben vor dem Amtsgericht Potsdam dar.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist in diesem Zusammenhang zwischen den Parteien hierzu unstreitig geworden, dass der Kläger für das Bauvorhaben ...unter seiner Einzelfirma M... Erdbau & Abbruch eine Nachtragsrechnung an die Beklagte gestellt hat. Vor Klageerhebung hat er diese Rechnung storniert, eine inhaltsgleiche Rechnung der Firma M... Erdbau GmbH erstellt und diese für die Firma M... Erdbau GmbH vor dem Amtsgericht Potsdam eingeklagt. Als Reaktion auf das Bestreiten der Aktivlegitimation in jenem Prozess hat der Kläger im weiteren seine Forderung an die Firma M...Erdbau GmbH abgetreten. Diese Abläufe vor und während des Werklohnprozesses lassen aus Sicht des Senats - unter Berücksichtigung der bereits aufgeführten vertraglichen Korrespondenz - den sicheren Schluss zu, dass der Kläger mit seiner kaufmännischen Einzelfirma Vertragspartner des Bauvorhaben ... geworden ist und ihm dies auch - jedenfalls bis zu dem Schreiben der Firma M... Erdbau GmbH vom 28.01.2004, in dem die Bürgschaftsurkunde zurückverlangt und erstmals die Auffassung vertreten wird, die Firma M...Erdbau GmbH sei Vertragspartner geworden - durchaus bewusst war.
e) Nach alledem ist die Vertragserfüllungsbürgschaft der ... Bank AG für das Bauvorhaben ... vom 14.01.2004 zu Recht und ohne Irrtum auf die Firma M... Erdbau und Abbruch ausgestellt worden.
2.
Der Sicherungszweck der in Ziffer 10 des VOB-Vertrages vom 18./22.12.2003 vereinbarten Stellung einer Erfüllungsbürgschaft durch den Kläger ist auch nicht zwischenzeitlich im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB entfallen.
Durch die Stellung einer Erfüllungsbürgschaft wird der Auftraggeber im Hinblick auf vertragsgemäße Ausführung - insbesondere Rechtzeitigkeit und Vollständigkeit der Werkleistung - in dem Zeitraum bis zur Abnahme des Werkes gesichert (vgl. hierzu Werner/Pastor, Der Bauprozess, 11. Auflage 2005, Rn. 1252 f. m. w. N.). Von dem Sicherungszweck der Erfüllungsbürgschaft werden dabei auch die vor der Abnahme entstehenden Schadensersatzansprüche des Auftraggebers - etwa durch die Notwendigkeit zur Auftragsvergabe an eine dritte Firma - umfasst (vgl. BGH, Urteil vom 17.12.1987, MDR 1988, 404 m. w. N.). Da die Beklagte sich derartiger Schadensersatzansprüche berühmt, hat sie ein fortbestehendes Sicherungsbedürfnis und ist daher - bis zur Klärung ihrer Ansprüche - dazu berechtigt, die Bürgschaftsurkunde zu behalten.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO n.F.) und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO n.F.).
Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 14.000,00 € festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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